Wichtige Grundsätze zur Aufbewahrung und Vernichtung von Geschäftsunterlagen

Insbesondere rund um den Jahreswechsel stellt sich regelmäßig die Frage, welche Geschäftsunterlagen vernichtet werden können und welche weiterhin aufzubewahren sind. Grund genug, sich mit dem Thema der Archivierung näher zu beschäftigen.

Gesetzliche Grundlagen und generelle Aufbewahrungsfristen

Die Aufbewahrungspflichten sind Bestandteil der handelsrechtlichen und steuerlichen Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten. Folglich ist derjenige, der nach Steuer- oder Handelsrecht zum Führen von Büchern verpflichtet ist, auch aufbewahrungspflichtig.

Beachten Sie | Die handelsrechtliche Grundlage bildet § 257 Handelsgesetzbuch (HGB) i. V. mit § 238 HGB. Die entsprechende steuerliche Grundlage stellt insbesondere
§ 147 Abgabenordnung (AO) dar.

Für Privatbelege besteht grundsätzlich keine Aufbewahrungspflicht. Sie werden aber bei der Einkommensteuerveranlagung im Rahmen der Mitwirkungspflicht benötigt. Zudem sind im Privatbereich zwei Besonderheiten zu beachten:
  • Zweijährige Aufbewahrungsfrist für Rechnungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 14b Abs. 1 S. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG)) sowie
  • besondere Aufbewahrungspflichten für Steuerpflichtige, bei denen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 Einkommensteuergesetz (Überschusseinkünfte) mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr beträgt (§ 147a AO).
Erfreulich ist, dass sich die handels- und die steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten weitestgehend entsprechen. Die folgende Aufzählung zeigt die Aufbewahrungsfristen für wichtige Geschäftsunterlagen:
  • Zehn Jahre lang müssen Unternehmen beispielsweise Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Eröffnungsbilanzen und Buchungsbelege aufbewahren. Gleiches gilt für alle Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen, die diese Belege verständlich machen und erläutern.
  • Sechs Jahre lang müssen z. B. Handels- und Geschäftsbriefe sowie Unterlagen, die für die Besteuerung wichtig sind (z. B. Ein- und Ausfuhrlieferunterlagen, Stundenlohnzettel), aufgehoben werden.

Fristbeginn und mögliche Fristverlängerungen

Die Aufbewahrungsfrist für ein Geschäftsjahr beginnt erst mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzten Unterlagen entstanden sind oder die letzten Aufzeichnungen (insbesondere Buchungen) vorgenommen wurden (§ 257 Abs. 5 HGB bzw. § 147 Abs. 4 AO).

Aber nicht nur bei der Bestimmung des Fristbeginns ist Sorgfalt geboten, sondern auch am Fristende müssen mögliche Verlängerungen im Auge behalten werden. So können vor allem folgende Sachverhalte zu einer Verlängerung der Aufbewahrungsfrist bzw. zur Verschiebung der Aktenvernichtung führen:
  • noch nicht abgeschlossene Außenprüfungen,
  • noch nicht abgelaufene Festsetzungsfristen,
  • anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Verfahren,
  • Vorläufigkeit von Steuerfestsetzungen gemäß § 165 AO oder
  • laufende Anträge an das Finanzamt.

Beachten Sie | Für die zu erwartenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist sowohl handels- als auch steuerrechtlich eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, da hierfür eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht besteht. Die Grundsätze zur Ermittlung der Rückstellung hat die Oberfinanzdirektion Niedersachsen 2015 umfangreich dargelegt.

Verletzung der Aufbewahrungspflichten

Wie bei der Verletzung von Aufzeichnungspflichten ist das Finanzamt auch bei der Verletzung der Aufbewahrungsfristen grundsätzlich zur Schätzung nach § 162 AO berechtigt. Ausnahmen gelten nur für höhere Gewalt wie Feuer, Hochwasser etc.

Das Handelsrecht schreibt keinen bestimmten Ort für die Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen vor. Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss jedoch insbesondere sichergestellt sein, dass die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können (§ 239 Abs. 4 HGB).

Das Steuerrecht verlangt die Aufbewahrung der Unterlagen grundsätzlich in Deutschland (§ 146 Abs. 2 AO). Die möglichen Ausnahmen für eine Aufbewahrung im Ausland sind in § 146 Abs. 2a und Abs. 2b AO geregelt.

Beachten Sie | Rechnungen und Kassenzettel auf Thermopapier haben den Nachteil, dass die Schrift schnell verblasst und dann häufig nicht mehr lesbar ist. Thermobelege sollten daher zeitnah kopiert und systematisch abgeheftet werden.

Quelle | Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz, PM des BMJ vom 30.8.2023; OFD Niedersachsen 5.10.2015, Az. S 2137 – 106 – St 221/St 222; GoBD: BMF-Schreiben vom 28.11.2019, Az. IV A 4 – S 0316/19/10003 :001



Verdeckte Gewinnausschüttung wegen Privatnutzung des Pkw trotz Nutzungsverbot?

Überlässt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGf) ein betriebliches Fahrzeug zur Nutzung, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug vom GGf auch für private Fahrten genutzt wird. Dies gilt nach der Ansicht des Finanzgerichts Münster auch dann, wenn die Privatnutzung im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich verboten ist und insbesondere dann, wenn der GGf kein Fahrtenbuch führt.

Das Finanzgericht Münster hat in seiner Urteilsbegründung insbesondere die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegenübergestellt:

Sichtweise des I. Senats des Bundesfinanzhofs

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs ist bislang davon ausgegangen, dass für die Privatnutzung eines dem GGf von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen betrieblichen Fahrzeugs ein Anscheinsbeweis greift. Danach spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein (Allein-)GGf einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw auch für private Fahrten nutzt.

Dies gilt auch bei einem im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbarten Privatnutzungsverbot – und zwar insbesondere dann, wenn
  • der GGf kein Fahrtenbuch führt,
  • keine organisatorischen Maßnahmen getroffen wurden, die eine Privatnutzung ausschließen, und
  • eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf den Pkw besteht.

Sichtweise des VI. Senats

Dagegen vertritt der VI. Senat des Bundesfinanzhofs die Ansicht, dass für lohnsteuerliche Zwecke bereits die bloße Gestattung der Privatnutzung unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen beim Arbeitnehmer den Zufluss eines geldwerten Vorteils begründet und der Anscheinsbeweis nicht anzuwenden ist.
Es gibt keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter GGf generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achtet. Selbst wenn er in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“ bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten hat, rechtfertigt dies keinen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht.

Diese Grundsätze hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs auch auf einen alleinigen GGf einer GmbH angewandt.

Sichtweise des Finanzgerichts Münster

Das Finanzgericht Münster hat nun für den Fall eines alleinigen GGf einer GmbH die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs zugrunde gelegt und die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewendet.

Den Anscheinsbeweis konnte die GmbH im Streitfall auch nicht mit dem Einwand erschüttern, dem GGf hätte für die privaten Fahrten ein Fahrzeug im Privatvermögen zur Verfügung gestanden. Denn bei den betrieblichen Fahrzeugen handelte es sich um sehr hochwertige und stark motorisierte Fahrzeuge, die mit den „privaten“ Fahrzeugen nicht vergleichbar waren. Darüber hinaus wurden diese Fahrzeuge auch von der Ehefrau des GGf genutzt.

Da gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster bereits die Revision anhängig ist, darf nun mit Spannung erwartet werden, wie sich der Bundesfinanzhof positionieren wird.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 28.4.2023, Az. 10 K 1193/20 K,G,F, Rev. BFH Az. I R 33/23, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 237191; BFH-Urteil vom 23.1.2008, Az. I R 8/06; BFH-Urteil vom 21.3.2013, Az. VI R 46/11



Betriebsausgaben: Abgrenzung zwischen Bewirtungskosten und Aufmerksamkeiten

Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat darauf hingewiesen, dass je nach Einzelfall geprüft werden muss, ob Geschäftspartnern Aufmerksamkeiten gereicht werden oder ob hier die Abzugsbeschränkung zu Bewirtungskosten (Abzug nur zu 70 %) nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) greift.

Eine Bewirtung liegt nicht vor, wenn Aufmerksamkeiten in geringem Umfang gereicht werden, wie es z. B. anlässlich betrieblicher Besprechungen als Geste der Höflichkeit üblich ist.

Da aber auch in einer Bewirtung eine übliche Geste der Höflichkeit liegen kann, kommt es wesentlich auf den Umfang der dargereichten Aufmerksamkeiten an. Auf die im Lohnsteuerrecht für den Begriff der Aufmerksamkeiten genannte Nichtaufgriffsgrenze von 60 EUR kann nicht zurückgegriffen werden. Die Frage, ob Aufwendungen zu Arbeitslohn führen, hat mit den Anforderungen an den Nachweis von als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen nichts zu tun.

Quelle | LfSt Niedersachsen, Verfügung vom 6.7.2023, Az. S 2145-St 226-2108/2023



Einkunftserzielungsabsicht beim Erwerb zahlreicher unbebauter Grundstücke

Die nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerbare Tätigkeit ist nach Auffassung des Finanzgerichts München objekt- und nicht grundstücksbezogen ausgerichtet – und zwar auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück befinden. Nach der Entscheidung des Finanzgerichts ist auch die Einkunftserzielungsabsicht objektbezogen zu prüfen.

Der Argumentation der Eheleute, die Einkunftserzielungsabsicht und die in diesem Rahmen zu prüfende Totalüberschussprognose seien nicht für jedes einzelne Objekt isoliert zu betrachten, sondern für die Gesamtheit der Objekte, erteilte das Finanzgericht eine Absage. Danach gilt die objektbezogene Betrachtung auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück (im zivilrechtlichen Sinne) befinden.

Ferner ist unbedingt zu beachten, dass die Vermutung einer Einkunftserzielungsabsicht bei auf Dauer angelegter Vermietung nur für die Vermietung von Wohnraum gilt, nicht jedoch für die Vermietung von Gewerbeimmobilien oder von unbebauten Grundstücken.

Quelle | FG München, Urteil vom 26.9.2022, Az. 7 K 169/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 235059



Kein Minijob und Hauptjob beim gleichen Arbeitgeber

Es ist nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungs-pflichtigen Beschäftigung auch eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Es muss eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind. Mit dieser Entscheidung hat sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg von der anderslautenden Ansicht des Finanzgerichts Münster aus 2003 distanziert.

Die folgenden Beispiele in den Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozial-versicherung verdeutlichen die Unterscheidung (Arbeitgeberidentität versus verschiedene Arbeitgeber):

Quelle | FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.12.2022, Az. 6 K 6129/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 234501; FG Münster, Urteil vom 21.2.2003, Az. 11 K 1158/01 L; Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 16.8.2022