Wird ein Gewerbebetrieb veräußert oder aufgegeben, kann der Steuerpflichtige die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) beantragen, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Diese Steuerermäßigung kann aber nur einmal im Leben beansprucht werden. Die Vergünstigung ist selbst dann verbraucht, wenn sie das Finanzamt zu Unrecht und ohne Antrag des Steuerpflichtigen gewährt hat. In einer aktuellen Entscheidung hat das Finanzgericht Hamburg die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt.

Sichtweise des Bundesfinanzhofs

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine antragsgebundene und nur einmal zu gewährende Steuervergünstigung für die Zukunft auch dann verbraucht, wenn sie vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist. Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Will sich der Steuerpflichtige die Möglichkeit vorbehalten, die Vergünstigung in einem späteren Jahr zu beanspruchen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.

Beachten Sie | Der Bundesfinanzhof nimmt einen Verbrauch der Vergünstigung selbst dann an, wenn kein begünstigungsfähiger Veräußerungsgewinn vorgelegen hat, der ermäßigte Steuersatz also schon mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht hätte gewährt werden dürfen. Maßgeblich ist allein, dass der Steuerpflichtige den ihn begünstigenden Irrtum des Finanzamts erkennt und billigt.

Urteil des Finanzgerichts Hamburg

Das Finanzgericht Hamburg hat die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs jüngst bestätigt. Im Streitfall wurde die Steuerermäßigung bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2014 ohne Antrag berücksichtigt. Die gewährte Steuerermäßigung war aus dem Steuerbescheid für den Steuerpflichtigen erkennbar.

Der geänderte Bescheid erging zur Umsetzung eines Grundlagenbescheids. In den Erläuterungen erhielt er keinen Hinweis auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Bei den Besteuerungsgrundlagen übernahm der Bescheid den im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Veräußerungsgewinn des Steuerpflichtigen bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen. Bei der Berechnung der Steuer wurde die Anwendung des Splittingtarifs und die Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG ausgewiesen.

Dies reicht, so das Finanzgericht Hamburg, aus, um erkennbar zu machen, dass der ermäßigte Steuersatz angewandt worden ist. Somit bestand Anlass, sich gegen die ohne Antrag erfolgte Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG mit einem Einspruch oder Änderungsantrag zu wenden, um sich die Möglichkeit einer späteren Gewährung des ermäßigten Steuersatzes zu erhalten.

Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 12.6.2024, Az. 1 K 141/22, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 243738; BFH-Urteil vom 28.9.2021, Az. VIII R 2/19