Keine Pauschalierung der Lohnsteuer bei geringfügig beschäftigtem Alleingesellschafter-Geschäftsführer

Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich im Rahmen des § 40a Einkommensteuergesetz („Pauschalierung der Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte und geringfügig Beschäftigte“) ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Ein GmbH-Alleingesellschafter-Geschäftsführer ist sozialrechtlich kein Beschäftigter, da er keiner Weisungsgebundenheit unterliegt. Folglich kann die Lohnsteuer hier nicht pauschaliert werden.

(FG Sachsen, Urteil vom 13.12.2022, Az. 3 K 524/22, rechtskräftig durch BFH, Beschluss vom 9.8.2023, Az. VI B 1/23)



Inkongruente Gewinnausschüttungen: Finanzverwaltung folgt dem Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof hatte der Finanzverwaltung mit Urteil vom 28.9.2022 ausdrücklich wie folgt widersprochen: Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, unterliegt als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung. Das Bundesfinanzministerium wendet diese Rechtsprechung nunmehr an.

Nach dem neuen Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist, sind inkongruente – also vom Anteil am Stammkapital einer GmbH abweichende – Gewinnausschüttungen steuerlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind. Dies ist insbesondere in folgenden Fällen gegeben:

Abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag

Es wurde im Gesellschaftsvertrag ein anderer Verteilungsmaßstab als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis.

Beachten Sie | Für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung ist die Zustimmung derjenigen Gesellschafter erforderlich, die hiervon nachteilig betroffen sind.

Öffnungsklausel

Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Verteilung beschlossen werden kann. Der Beschluss wurde mit den erforderlichen Zustimmungen und der ggf. im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst.

Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss

Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist der Besteuerung zugrunde zu legen.

Ein derartiger Beschluss liegt vor, wenn sich seine Wirkung als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll.

Zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung

Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.9.2021 ist ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallene Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen.

Dies gilt auch dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 4.9.2024, Az. IV C 2 – S 2742/19/10004 :003, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 243964



Inventur am 31.12.: Das muss nicht sein

Das Jahresende steht vor der Tür – und das heißt Inventurzeit. Denn in vielen Unternehmen erfolgt dann eine körperliche Bestandsaufnahme, oft am 31.12. Doch das ist nicht zwingend erforderlich, es gibt auch andere Möglichkeiten.

Die handelsrechtliche Grundlage für die Inventur bildet § 240 Handelsgesetzbuch (HGB). Demnach hat jeder Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahrs ein Inventar aufzustellen. Ein Inventar ist ein vollständiges Verzeichnis aller Vermögenswerte und Schulden. Um dieses zu erstellen, sind zunächst die Bestände zu ermitteln, d. h., es ist eine Inventur durchzuführen.

Die Inventur hat grundsätzlich am Bilanzstichtag zu erfolgen (Stichtagsinventur). Handels- und steuerrechtlich wird es aber nicht beanstandet, wenn die Inventur innerhalb einer Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag vorgenommen wird. Der am Tag der Inventur ermittelte Bestand muss in diesem Fall mengen- und wertmäßig auf den Stichtag fortgeschrieben bzw. zurückgerechnet werden.

Auch eine zeitverschobene (vor- oder nachgelagerte) Inventur ist zulässig (§ 241 Abs. 3 HGB). Hier muss die Bestandsaufnahme innerhalb von drei Monaten vor oder zwei Monaten nach dem Abschlussstichtag erfolgen. Dies erfordert aber einen relativ langen Zeitraum der Fortschreibung bzw. Rückrechnung.

Zudem gibt es zwei weitere Verfahren:
  • Bei der permanenten Inventur nach § 241 Abs. 2 HGB erfolgt die Aufnahme nicht zu einem bestimmten Stichtag, sondern laufend. Jeder Vermögensgegenstand ist im Laufe eines Jahres mindestens einmal körperlich aufzunehmen.
  • Bei der Stichprobeninventur (§ 241 Abs. 1 HGB) wird der Bestand mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Berechnungsmethoden ermittelt. Vorteil: Es müssen nicht alle Vermögensgegenstände körperlich aufgenommen werden. Nachteil: Komplexe Ermittlung und Dokumentation.


Betriebsaufgabe/-veräußerung: Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes auch ohne Antrag

Wird ein Gewerbebetrieb veräußert oder aufgegeben, kann der Steuerpflichtige die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) beantragen, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Diese Steuerermäßigung kann aber nur einmal im Leben beansprucht werden. Die Vergünstigung ist selbst dann verbraucht, wenn sie das Finanzamt zu Unrecht und ohne Antrag des Steuerpflichtigen gewährt hat. In einer aktuellen Entscheidung hat das Finanzgericht Hamburg die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt.

Sichtweise des Bundesfinanzhofs

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine antragsgebundene und nur einmal zu gewährende Steuervergünstigung für die Zukunft auch dann verbraucht, wenn sie vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist. Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Will sich der Steuerpflichtige die Möglichkeit vorbehalten, die Vergünstigung in einem späteren Jahr zu beanspruchen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.

Beachten Sie | Der Bundesfinanzhof nimmt einen Verbrauch der Vergünstigung selbst dann an, wenn kein begünstigungsfähiger Veräußerungsgewinn vorgelegen hat, der ermäßigte Steuersatz also schon mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht hätte gewährt werden dürfen. Maßgeblich ist allein, dass der Steuerpflichtige den ihn begünstigenden Irrtum des Finanzamts erkennt und billigt.

Urteil des Finanzgerichts Hamburg

Das Finanzgericht Hamburg hat die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs jüngst bestätigt. Im Streitfall wurde die Steuerermäßigung bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2014 ohne Antrag berücksichtigt. Die gewährte Steuerermäßigung war aus dem Steuerbescheid für den Steuerpflichtigen erkennbar.

Der geänderte Bescheid erging zur Umsetzung eines Grundlagenbescheids. In den Erläuterungen erhielt er keinen Hinweis auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Bei den Besteuerungsgrundlagen übernahm der Bescheid den im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Veräußerungsgewinn des Steuerpflichtigen bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen. Bei der Berechnung der Steuer wurde die Anwendung des Splittingtarifs und die Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG ausgewiesen.

Dies reicht, so das Finanzgericht Hamburg, aus, um erkennbar zu machen, dass der ermäßigte Steuersatz angewandt worden ist. Somit bestand Anlass, sich gegen die ohne Antrag erfolgte Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG mit einem Einspruch oder Änderungsantrag zu wenden, um sich die Möglichkeit einer späteren Gewährung des ermäßigten Steuersatzes zu erhalten.

Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 12.6.2024, Az. 1 K 141/22, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 243738; BFH-Urteil vom 28.9.2021, Az. VIII R 2/19



Instandhaltungsrücklage: Revision zum Zeitpunkt des Werbungskostenabzugs anhängig

Vermieten Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Eigentumswohnung, müssen sie an die Hausverwaltung auch Zahlungen leisten, die diese der Instandhaltungs- bzw. Erhaltungsrücklage zuführt. Bis dato sind diese Zahlungen nicht zum Zahlungszeitpunkt als Werbungskosten zu berücksichtigen, sondern erst, wenn sie für Instandhaltungen verausgabt worden sind. Ob dies (immer noch) zutreffend ist, muss nun der Bundesfinanzhof klären.

Seit dem 20.8.2024 ist beim Bundesfinanzhof ein Verfahren mit folgender Fragestellung anhängig:

Beachten Sie | Die Vorinstanz, das Finanzgericht Nürnberg, hat das übrigens verneint.

Nach aktuellem Rechtsstand sind die Zahlungen erst dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie der Verwalter verausgabt hat. Dass die Beiträge zur Erhaltungsrücklage mit der Zahlung aus dem frei verfügbaren Vermögen abgeflossen sind, ändert daran nichts.

Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 12.3.2024, Az. 1 K 866/23, Rev. BFH: Az. IX R 19/24, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 243896